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Hella

Hella

Hella

 

geb. 1967

gest. 11. Januar 1995

Beim Schreiben dieser Seiten kommen nach und nach immer mehr Erlebnisse und Geschichten mit und um unsere Pferde ins Gedächtnis zurück. Einige Erlebnisse mit Hella möchte ich hier erzählen.

Hella

Hella und die anderen Pferde


Wie ich Hella kennenlernte

Genau nach 40 Jahren, nämlich am 16. Januar 1971 kam ich zum zweiten Mal in meine Geburtsstadt Ingolstadt. An jenem Tag besichtigte ich den Reitstall an der "Gabel". Eine große Anlage bei Ingolstadt, die kurz zuvor Pleite gegangen ist.
Durch den umsichtigen Einsatz eines Rechtsanwalts, der befristet die Vorstandschaft des Vereins übernahm, wurde der ganze Reitverein samt Anlage dem TV 1861 unterstellt und damit gerettet. Ich sollte die reiterliche Leitung der neuen, eigenständigen Abteilung übernehmen.

Damals sah ich sie zum ersten Mal.

Sie war noch jung. Gerade mal vier Jahre alt, schon Mutter und bereits von ihrem Kind getrennt.

Der Besitzer des mittelgroßen Eisenschimmels mit hessischem Brand war jener Rechtsanwalt. Er hatte die Stute vom Pferdehändler Wenzl aus Weiden gekauft. Sie hieß Hella und hatte eine sonderbare Eigenheit. Jedes Mal, wenn sie ein Stück Zucker erhielt, formte sie ihre Zunge zu einem langen U. Schmatzend tat sie dabei kund, daß es ihr geschmeckt hat. Dies war zwar nicht der Gewährsmangel "Koppen" aber als geschickter Anwalt, und das war Toni ganz bestimmt, meldete er in aller Form seine Bedenken an. 1.000,00 DM Preisnachlass waren nicht schlecht und wurden gerne akzeptiert.

Ein Anwalt hat nicht immer Zeit. Was tut er also mit seinem Pferd?
Er geht eine Partnerschaft ein.
Eine unglückliche Entscheidung dann, wenn der Partner zu den Reitanfängern zählt. In diesem Fall hoppelte Lothar, ein netter, lustiger Kerl auf Hellas Rücken herum. Er fand es sogar schön wenn Hella ihren Rücken so fest machte, daß er bei jedem Trabtritt 20 cm aus dem Sattel geprellt wurde. Kein feiner Zustand, der sich aber sehr bald von selbst regelte.
Der Besitzer mußte für einige Zeit ins Krankenhaus und der Partner hatte einen Sportunfall.
So kam es, daß Hella das erste Pferd in Ingolstadt wurde, das mir zum Beritt anvertraut wurde. Das freute mich nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch deshalb, weil mich das Pferd interessierte.

Hella in der Abteilung

Geboren 1967 als Tochter einer Hessenstute und einem irischen Hunter hatte sie schon einige, prägende Stationen in ihrem kurzen Leben durchlebt. Ihre Erfahrung lehrte sie dabei vorsichtig und nicht zu vertrauensselig zu sein. Hella präsentierte sich mit einem in vielen Reitstunden entwickelten, harten Maul. Gut antrainierte Unterhalsmuskeln halfen dem schlauen Pferd zudem noch beim eigenwilligen Umgang mit seinen Reitern.
Dabei konnte sie bestechend raumgreifende und taktreine Trabbewegungen entwickeln. Was außerdem kaum zu glauben war, sie bot einen angenehm schwingenden Rücken an. Hella war eine gute Schülerin. Die Arbeit mit ihr machte Spaß und ließ schon nach kurzer Zeit erfreuliche Fortschritte erkennen.
Sobald sie ein Anfänger ritt, erinnerte sie sich sofort an ihre alten Tricks und Schutzmechanismen. Dies bestätigte wieder einmal meine Erkenntnis, daß Pferde in ihrer Prägezeit eine gute, qualifizierte Reitausbildung bekommen sollten. Sie erinnern sich ihr ganzes Leben lang an diese Epoche und daran, was sie in dieser Zeit gelernt haben.

Früher gab der potente Pferdebesitzer sein Pferd in "Beritt". Heute sind "Pferdeflüsterer" große Mode. In beiden Fällen werden und wurden Wunder erwartet. Bei geringstem eigenem Einsatz sollten Siegerqualitäten und absolute "Selbstläufer" geformt werden.
Bei Hella hatte ich das Glück, mit normalen und engagierten Menschen zusammen arbeiten zu können. Ich mußte sie nicht erst psychologisch betreuen, um sie auf das Pferd einzustellen. Wer in dem Metier arbeitet, weiß wie glücklich man darüber ist. Kein Wunder also, daß sich herzliche Freundschaft zur ganzen Familie entwickelte.

Genau wie ihr Besitzer war Hella mit großer Freude im Gelände unterwegs. Es waren mit die schönsten Ausritte, die ich mit ihnen in meinem Leben gemacht habe.
Jedes Mal ein neues Erlebnis, wenn es hinüber ging in den herrlichen Eichenwald. In diese weitläufige, abwechslungsreiche Landschaft mit seinen parkähnlichen und blumenreichen Waldwiesen, den uralten Baumriesen und den traulichen Buschgruppen. Gerne kehrten wir bei Willi, dem Jagdpächter in seiner Jagdhütte ein. Knackige Würste gab`s, kühles Bier und für die Kinder ein Limo. Die Pferde waren auch zufrieden. Sie rupften um uns herum genüsslich ihr Gras. Willi hatte immer eine lustige Geschichte auf Lager. Das I-Tüpfelchen auf unsere immer heitere Stimmung im Schatten der knorrigen Eichen.

Start

Hella´s Liebe zur Jagd

Als große Leidenschaft entwickelte sich bei Toni die Jagdreiterei. Hella, schon abstammungsmäßig prädestiniert für diesen Zweig der Reiterei, machte ihrem väterlichen Erbe besondere Ehre und ihrem Besitzer viel Freude. Jetzt beginnt wieder die rot-grüne Saison, hörte man gelegentlich von Eingeweihten zu Toni sagen. Heute hätte dies politische Bedeutung.
Damals dachte jeder an den roten Reitrock von Toni und den grünen Schweif von Hella. Der grüne Schweif entstand bei Hella immer dann, wenn sie ihren Herrn im roten Rock sah. Durch erhöhte Verdauungsvorgänge und damit verbundenen dünnflüssigen Kotabsatz färbte sich der sauber gewaschene, weiße Schweif allmählich grün. Dem Temperament von Hella konnte entnommen werden, daß die Aufregung Vorfreude und nicht Angst war.
Übrigens erzählte mir Toni in einer launigen Stunde, daß bei den ersten Jagden unter den begleitenden Zuschauern immer einige Damen des Vereins waren, die mit Klopapier und Schnaps ausgerüstet waren, um sie Toni bei Bedarf reichen zu können. Toni reagierte nämlich bei Aufregung wie sein Pferd in ähnlicher Weise.

Im Frühjahr brauste ein Orkan über den Eichenwald. Mit unbändiger Gewalt fällte er Baumriesen, schmetterte mächtige, alte Äste zu Boden und zauste das grüne Blätterdach, daß die Erde übersät war mit Zweigen und nassem Laub.
Der Eichenwald hatte sich in einen Springgarten mit allen möglichen, natürlichen Hindernissen verwandelt. Ein Traum für uns Reiter. Die Aufräumungsarbeiten gingen nur langsam voran. Eine feine Sache, weil dadurch für die nächste Jagd eine Streckenführung möglich wurde, die schöner nicht hätte sein können.
Die Jagd wurde dann auch auf der ganzen Linie ein großer Erfolg. Es waren so viele Teilnehmer am "Stelldichein", daß in zwei Feldern geritten werden mußte.

Zwei Schwierigkeiten waren auf dieser Jagd gefürchtet:
Das eine war der Steilhang am Dünzlauer Berg und das andere der Wassereinsprung an der Mühle.
Der Steilhang deshalb, weil die meisten Reiter heiligen Respekt vor einem Geländegefälle haben, das die Pferde auf der Hinterhand rutschend überwinden müssen. Hoch auf dem Pferd, also gut zwei Meter über Hangkante sah sich mancher schon im Sturzflug in die Tiefe purzeln.
Der Wassereinsprung war Hauptanziehungspunkt für eine große Menge von Zuschauern. Diese erhofften sich insgeheim, daß sie einige Reiter ins Wasser plumpsen sehen. Die Reiter wiederum fürchteten die Blamage eines unfreiwilligen Bades. Jeder Teilnehmer wusste, daß die Pferde beim Landen auf dem Wasser dessen Oberfläche als Aufsprung taxieren, dann bis zum Grund durchfallen und dabei sehr leicht das Gleichgewicht verlieren.
Bei jenem Mühlweiher war bekannt, daß er mindestens 50 cm tief war. Also schon ein ganz beachtliches Risiko.
Toni und seine Hella meisterten die ganze Strecke souverän und ohne Probleme.

Hella auf der Jagd
Im zweiten Feld gab es am Dünzlauer Berg einige Stürze, weil die vorderen Reiter an der Talsohle sofort weiter galoppierten. Alle Nachfolgenden, die noch im mittleren oder am oberen Teil des Berges waren, hatten gehörig zu kämpfen. Der Herdentrieb der Pferde brachte manchen Reiter ins Schwitzen. Diejenigen, deren Pferde sich nicht halten ließen und sich mit mächtigen Bocksprüngen am Steilhang ihrer Reiter entledigten, kugelten holter die polter den steilen Berg hinunter.
Verloren blieben sie zurück. Ihre Pferde stürmten den anderen nach und überholten, lustig den Kopf schlenkernd, sogar noch das vorderste Feld.

Start

Hella und die Vielseitigkeitsreiterei

Die hervorragenden Eigenschaften von Hella beim Jagdreiten ließen die Vermutung aufkommen, daß auch Prüfungen in der Vielseitigkeitsreiterei ein Bereich sei, der erprobt werden sollte.
Zu Hause im Übungsgelände zeigte sich Hella schon sehr eigenwillig. So war es manchmal unverständlich, weshalb sie einen schwierigen Sprung anstandslos überwand, beim nächsten, simplen Hindernis jedoch einfach stehen blieb.

Trotzdem, warum sollte man es nicht einfach einmal versuchen.

Bei der Begehung der hügeligen Waldstrecke mit viel Wechsel von schattigen Wegen zu plötzlichem Gegenlicht, ertönte von Toni ein Überraschungsruf nach dem anderen. "Das springt die Hella nie!" oder "Spätestens hier ist für mich das Ende!" Da war ein Wurzelsprung am Waldrand gegen die Sonne zu springen. Dort lehnte ein bunter Fischerkahn vor einer glitzernden Wasserfläche. Ein lustig plätschernder Brunnen dicht neben einem Baumstammoxer könnte der Hella vielleicht auch nicht gefallen. Kurz um, die Hoffnung auf einen ehrenvollen Durchgang schwand je näher das letzte, relativ leichte, mit Stroh unterbaute Hindernis vor dem Ziel erreicht wurde.

Hellas Antennen spürten natürlich die Spannung, die den Toni beherrschte. Obwohl sie nicht wusste was kommt, zeigte sie Nerv. Sie tänzelte wie ein Rennpferd auf dem Sattelplatz, zeigte sich fluchtbereit und gespannt.
Als endlich die Startflagge gesenkt wurde, schnellte Hella wie von einer Feder abgeschossen los. Nur weg von diesem hektischen Platz. Den ersten Sprung, einen dicken Baumstamm, überflog sie flüssig, aber immer noch etwas gespannt. Auch die nächsten Hindernisse nahm sie souverän. Bei einer leichten Steigung fand sie schließlich ihren Rhythmus. Die Atmung wurde gleichmäßig prustend dem Galoppsprung angepasst.
Ein kleines Problem gab es bei der Futterraufe, die frei auf der Waldlichtung stand. Das nach links leicht geöffnete Hindernis lud tückischer Weise zum Ausweichen ein. Früh genug spürte Toni Hellas Tendenz links vorbei zu laufen. Mit einem imponierenden Brüller und energischem Gegensteuern brachte er sein Pferd gerade noch rechtzeitig davon ab. Dadurch etwas aus dem Takt gebracht, passte der Absprung nicht mehr.
Hella half sich geschickt und "kletterte" sozusagen mit mächtigem Schub steil über das Hindernis. Ein Vorderhuf knallte krachend gegen die Stange. Egal, jedenfalls einwandfrei überwunden. Der Wurzelsprung im Gegenlicht, der Fischerkahn vor dem Teich, auch all die anderen Schwierigkeiten nahm Hella wie ein Profi in hervorragender Zeit und bestechender Manier Endlich, der letzte Sprung, freundlich, nicht sehr hoch. Mit Stroh ausgefüllt und schon in Sichtweite der Ziellinie.
Hella steht.
Toni ist so überrascht, daß er ungläubig umdreht und sofort neu anreitet.
Und wieder steht die Hella.
In der Aufregung klappt auch der dritte Versuch nicht.
Ausgeschieden wegen dreimaligem Verweigern.
Da sollte man sich nicht ärgern. Nach der Freude alle gefürchteten Schwierigkeiten bravourös überwunden zu haben, streikt Hella an diesem mickrigen letzten Sprung. Toni ist wütend und beleidigt.
Niedergeschlagen führt er sein Pferd zum Anbindebalken, nimmt Sattel und Zaumzeug ab, wirft beides in den Kofferraum seines Autos und fährt heim.
Koch Sepp sieht später die Hella alleine da stehen. Er findet natürlich den Toni nicht und erfährt von dessen Abfahrt. Schließlich nimmt er Hella in seinem Hänger mit nach Hause.

Hella

Start

Tonis grüne Füße

Über körperliche Reinlichkeit braucht man bei vielen Menschen nicht reden. Absolut überflüssig bei Toni, dem Besitzer von Hella, der in solchen Dingen eher penibel war. Eine Begebenheit, die sich innerhalb weniger Stunden ereignete, macht jedoch diese Erwähnung notwendig.

Bei einem gemeinsamen Ausritt kam Toni mit Hella zu nahe an ein unleidliches, vorderes Pferd. Dieses keilte aus und traf den Toni am Bein.
Anfänglicher, übler und stechender Schmerz klang allmählich etwas ab, verdarb jedoch den ganzen Nachmittag. Zu Hause angekommen, fing Toni sofort an, in kurzen Hosen und barfuss, den Rasen vor seinem Haus zu mähen. Irmgard, seine Frau, die sich bereits für ihren gemeinsamen Theaterbesuch vorbereitete, quengelte immer wieder, weil sie befürchtete, daß sie zu spät kommen könnten.
Toni hörte wegen des Motorenlärms die Ermahnungen seiner Frau nicht und humpelte eifrig hinter dem Grasmüll verspritzenden Mähgerät her.
Erst als Irmgard in fertiger Abendrobe in den Garten kam, erkannte Toni, daß es schon viel zu spät war. Humpelnd eilte er ins Haus, zog über die grasgrünen Füße seine dunklen Socken. Weißes Hemd, passende "Fliege" und Smoking hingen schon fürsorglich aufgereiht bereit und sorgten schnell für ein feierliches Outfit.

Im Theater beim ruhigen Sitzen fing plötzlich das Bein fürchterlich zu toben an. Der Schmerz steigerte sich zur Unerträglichkeit. Kalter Schweiß bedeckte Tonis Stirn. Er wetzte unruhig hin und her. Schließlich verließ das Ehepaar, trotz empörtem Gemurre der Zuschauer ihre Sitze und fuhr ins Krankenhaus.
Als der Patient im Smoking vor dem diensthabenden Arzt seine Socken auszog, wollte Toni wegen seiner grünen Füße eine Erklärung abgeben. Diese fand aber wenig Verständnis.
Er hörte nur den Arzt im Nebenzimmer zur Nachtschwester sagen: "Da kommen die feinen Herren mitten in der Nacht und dann soll man ihnen auch noch die Füße waschen!"

Start

Hella kommt ins Moos

Die Amper schlängelt sich auf eine Länge von über 175 km durch unsere bayerischen Lande. Sie kommt an manchen schönen Orten vorbei und umfließt viele trauliche Stellen vom Ammersee bis hin zur Isar.
Ein Fleckchen an seinen Ufern aber ist ein wirkliches Kleinod. Kaum bekannt und doch von einer bemerkenswerten Einmaligkeit.
Es ist das "Fischgut Alte Amper".
In saftige Wiesen gebettet, umgeben von moorigen, mäandrischen Altwassern und versteckt zwischen mächtigen Pappeln, hohen Ulmen und dunkelroten Blutbuchen liegen verstreut die alten, heimeligen Gutsgebäude.
Hochstöckige Häuser sind es mit gut in die Landschaft passenden, für die Gegend aber ungewöhnlich steilen Dächern. Schmale Gauben darauf blinzeln wie aufgeklappte müde Augen zwischen den altersrauen, leicht bemoosten Biberschwanzziegeln. Ein samtweicher, dunkler Mantel aus braunem, verwittertem Holz umgibt schützend alle Häuser. Vielsprossige Fenster, seitlich von Läden wie von Flügeln gerahmt, geben von allen Zimmern und von allen Stockwerken den Blick frei in die von einem begnadeten Landschaftsarchitekten gestaltete Umgebung.

Hella im Moos

Obwohl das kleine Reich durch viele zehrende Pächter- und gleichgültige Besitzerhände gegangen ist, hat es nie seinen bezaubernden Charme verloren. Ich kannte das Fischgut schon seit vielen Jahren. Nie hätte ich mir jemals träumen lassen, daß ich einmal einen besonders schönen Teil meines Lebens dort, wie man in Bayern so stolz zu sagen pflegt, regieren durfte.
Besonders gefreut hat mich, daß Hella mit mir und meinen Pferden dort einzog.
Toni und seine Familie kamen oft zu uns ins Moos. Sie halfen beim Koppelbau, nahmen teil am Aufbau meiner Arbeit mit Kindern und Pferden und verlebten mit uns viele heitere Stunden. Mit Hella und unseren anderen Pferden durchstreiften wir immer wieder die nördliche Umgebung Freisings.

Eine schöne Zeit.

Das Moos war für unsere Pferde, die an Zahl zugenommen hatten, ein Paradies.
Für uns schon auch. Nur hatten wir anfangs wenig Zeit. Es machte viel Arbeit, ein Stück "heile Welt" zu schaffen, in dem Kinder und Tiere den Mittelpunkt bilden sollten. Das ehemalige Fischgut war zwar etwas herunter gekommen, bot dafür aber eine zauberhafte Substanz.
Ob Pferde ein Empfinden für die Schönheit einer Landschaft haben, weiß ich nicht. Wir jedenfalls freuten uns immer wieder, weil wir zu jeder Jahreszeit erleben durften, was ein künstlerisch begnadeter Architekt und Landschaftsgestalter einige Generationen vor uns geplant und geschaffen hatte.
Um es, ohne das Idyll zu stören, für unsere Zwecke und mit unseren Pferden nutzen zu können, errichteten wir nur auf einer Seite der großen Wiese aus ungeschälten Stangen einen Koppelzaun. Gegenüber begrenzte ein Altwasser mit einem Fichtenwäldchen im Hintergrund die Weide. Hellblättrige Birken mit weißen Stämmen vor dunkelgrünen Koniferen belebten das Panorama. Freundlich bunt erfreuten sie das Auge und oft genug auch unser Gemüt.

Moos
Die große Koppel ermöglichte unseren Pferden immer wieder ein fröhliches Dahinstürmen. Nachdem sie sich ausgetobt hatten, verteilten sie sich in kleine Gruppen und rupften mit Hingabe und peinlicher Auslese Gräser und schmackhafte Pflanzen. Hella, hatte sich mit Astrid angefreundet. Beide wateten oft stundenlang gemächlich in dem knietiefen Bach, der von der Amper kam und früher die Fischteiche mit Wasser versorgen mußte. Der saftige Uferbewuchs hatte es ihnen angetan.
Moos

Start

Hella und die Kinderreitstunden

Bei Kinderreitstunden durfte ich die Hella einsetzen. Das war eine große Hilfe.
Vor allem kleinere Kinder fühlten sich auf ihr sicher. Hella liebte den ruhigen Ablauf einer Reitstunde. Darüber waren die kleinen Anfänger sehr froh. Gerade recht um Vertrauen und Sicherheit aufzubauen.
Einen Schock hat sie allerdings einmal dem Sohn des Professor Brenner aus Weihenstephan versetzt.
Gleich bei der Ankunft zu einem Ferienreitkurs erzählte der selbstbewusste junge Mann, daß er schon sehr gut reiten könne. Als er dies immer wieder betonte, beruhigte ihn sein Vater und meinte, daß er dies ja während der Reitstunde zeigen könne. Nach alter Regel und Erfahrung, bei jedem vorsichtig zu sein, der mit großen Worten seine reiterlichen Fähigkeiten preist, wies ich dem Jungen die freundliche, brave und sichere Hella zu.

Hella in der Abteilung

Wie vermutet, beschränkten sich seine Kenntnisse auf die kargen Erlebnisse bei einem Jahrmarkthippodrom.

Im Reitviereck, inmitten der Koppel, das mit Stangen umgrenzt war, befanden sich nur wenige Reiter. Den Einlass versperrte ein nachlässig platzierter Fichtenstamm vom oberen Bügel schräg zur unteren Halterung.
Astrid graste alleine und friedlich vor dem offenen Reitplatz. Langsam wanderte sie weiter weg in Richtung zum offenen Koppelausgang.
Hella, die auf dem Sandplatz scheinbar teilnahmslos dahintrottete, ging dem jungen Reiter zu träge und nicht schnell genug. Tatsächlich wollte sie lieber mit Astrid zum "Kneipwandern" in den Bach. Sie schlenkerte unwillig mit dem Kopf, galoppierte kurz an und sprang mit einem mächtigen Satz über die niedere Absperrung am Reitviereckseingang.
In hohem Bogen trennte sich der Junge von Hella und landete etwas unsanft außerhalb des Vierecks. Schmerzlich verzog er sein Gesicht und wollte lieber die Reitstunde mit diesem Erlebnis beendet. Aus psychologischer Sicht sollte es, wenn aus gesundheitlichen Gründen vertretbar, keinen solchen Abschluss geben. Also, wieder rauf auf die Hella. Den Eingang sicher verrammelt und die Reitstunde konnte planmäßig beendet werden.

Zur Nachmittagsstunde erschien der Hellareiter in gekrümmter, bedauerlicher Haltung. Mit weinerlicher Stimme verkündete er, daß er Bauchweh habe. Außerdem sei ihm furchtbar schlecht und wenn er sich nicht irrt, plagt ihn auch noch Kopfweh. Ich erklärte ihm, daß ich in solchen Fällen die Fähigkeit eines Heilers habe und ihm helfen könne.
Meine Empfehlung war, die Hella zu satteln und während der nächsten 45 Minuten Friede mit seinem Pferd zu schließen. Wie erwartet, ging alles gut. Das Bauchweh war schlagartig vorbei und geblieben ist ein zwar vorsichtiger Reiter, der dann sogar noch erfreuliche Fortschritte machte.

Start

Glück im Unglück beim Springen

Dramatischer verlief die Vorbereitung zum Reitabzeichen während eines Ferienreitkurses. Auf dem Programm stand unter anderem die Stilspringprüfung bei einem A-Parcours.
Dirk, ein kräftiger, netter und engagierter Junge, zeigte noch Schwächen in dieser Disziplin. Nach dem Motto "Reiten lernt man durch reiten", bauten wir Hindernisse in das Reitviereck, die einzeln unter genauer Anweisung überwunden werden mussten. Um bei Stürzen Verletzungen vorzubeugen, erklärte ich, daß sich die Reitschüler dann fest am Pferd einhalten sollten, wenn sie aus dem Gleichgewicht kommen. Dann nämlich war die Wahrscheinlichkeit groß, daß sie mit den Füßen voraus am Boden landen.

Vor der Überwindung eines kleinen Oxers passte die Absprungstelle nicht. Hella stockte kurz und sprang zu spät ab. Dabei brachte sie die obere Hindernisstange zwischen die Vorderbeine. Ihr Reiter Dirk kam aus dem Gleichgewicht, hing mit dem Oberkörper auf dem Mähnenkamm von Hella, rutschte sofort auf die linke Halsseite und brachte, weil er sich mit aller Kraft festklammerte, das Pferd über dem Sprung ins Schwanken. Im nächsten Moment konnte sich Dirk nicht mehr halten. Er ließ los und fiel vor dem Pferd auf den Rücken.
Hella, nun vollends irritiert und vom Reitergewicht befreit, schmiss vehement ihr Gewicht nach rechts und fing die Hauptwucht des Aufsprungs so gut sie konnte mit dem rechten Bein auf.
Das durch die Hindernisstange behinderte linke Bein war noch angewinkelt und berührte mit dem Karbalgelenk die Brust von Dirk.
Mit Blaulicht wurde Dirk in das Krankenhaus gebracht. Dort stellten die Ärzte fest, daß zwei Rippen gebrochen waren. Hätte Hella nicht so schnell und richtig reagiert, kann sich jeder die schrecklichen Folgen ausmalen. Gott sei Dank blieb dies zwar der schwerste aber einer der wenigen Reitunfälle, die ich als Reitlehrer erleben mußte.

Start

Was tut ein guter Vater nicht alles, um seinem Kind eine Freude zu machen
oder
Hella als zuverlässiges Jagdpferd

Max, ein begeisterter Segler, nahm seine Töchter auf einen langen Segeltörn vor der Küste Jugoslawiens mit. Als sie nach drei Wochen von Bord gingen, verkündete Claudia mit nachhaltiger Bestimmtheit: "Nie mehr in meinem Leben werde ich so eine Reise machen!".

Rudolf, passionierter Segelflieger, konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als seinen Urlaub auf dem Flugplatz zu verbringen. In Zelten auf freier Wiese hinter dem Tower campierte die ganze Familie und nahm regen Anteil am täglichen Fluggeschehen. Schnell erkannte Ulla, daß das Drumrum viel, viel mehr Zeit beanspruchte, als die wenigen Minuten im Flugzeug.
Ihr Kommentar: "Eine schöne Freiheit über den Wolken. Schade um die schönen Ferientage! In Zukunft ohne mich!".

Für Toni gehörte das Reiten einer Jagd zu den Höhepunkten seines reiterlichen Lebens.
Gudula, seine Tochter, liebte Pferde auch. Sie ritt, eben weil sie diese Tiere liebt, mit kameradschaftlicher Hingabe. Von sportlichem Ehrgeiz ließ sie sich nicht anstecken. Ihre Zuneigung und ihre ganze Einstellung hätte dies nicht zugelassen. Bedenkenlos konnte sie auf leichten Ausritten mitgenommen werden.
Die Anmeldung Gudulas zu einer Reitjagd entfachte in mir große Bedenken. Ich sagte dies auch ganz unmissverständlich ihrem Vater.
Bei so einer Jagd tummeln sich doch die unterschiedlichsten Reiter. Die Überschätzung der eigenen reiterlichen Fähigkeiten fand bei vielen schon immer fruchtbaren Boden. Nur einige davon im Jagdfeld auf entsprechenden Pferden und für Trubel und brisante Situationen ist gesorgt.
In Gedanken sah ich sie im Pulk dahinstürmen. In der Mitte die unerfahrene Gudula mit Hella. Eine schreckliche Vorstellung.

All dies tat Toni mit einem kurzen Satz ab. "Sie sitzt doch auf der Hella! Die passt schon auf sie auf!"
Um es gleich vorweg zu sagen:
Toni hatte recht.

Schon beim ersten Aufgalopp bestimmte Hella den Ablauf. Die tapfere, kleine Gudula nahm nicht nur die beiden Zügel fest in die Hand. Sicherheitshalber auch noch einen Büschel Mähnenhaare. Damit demonstrierte sie, daß ihr Pferd getrost die Führung übernehmen könne.
Der Pulk preschte los, drängte sich zu einem Knäuel dicht hinter dem Master. Hässlich an den Zügel zerrend, überholten die ersten Reiter beide Piköre und dann auch noch den Master. Kein schöner Anblick.
Gebrüll! Hohoo-Schreie. Ohnmächtiges Kreiseln hilfloser Reiter an beiden Seiten der Hauptgruppe. Allgemeines Chaos.

Ganz hinten, kurz vor den Schlußpikören, galoppierte Hella in rundem, ruhigem Kanter. Gudula zufrieden oben drauf. Beide ließen sich vom Stallübermut der anderen Pferde nicht anstecken.
Der erste Sprung. - Kein Problem.
Hella ließ sich Zeit. Richtete es so ein, daß sie ankam, als alle anderen darüber oder daneben vorbei waren. Lässig brachte sie ihre Reiterin über das Hindernis und folgte ruhig dem immer noch turbulenten Feld.
Vor dem nächsten Sprung verweigerten einige Pferde. Standen quer. Stiegen hoch. Trampelten hektisch hinter- und nebeneinander mit wild gestikulierenden roten und bunten Röcken oben drauf. Gefährlich für alle Ankommenden. Beste Voraussetzung für einen hässlichen Crash. Einige Reiter konnten durchparieren. Warteten ungeduldig auf ihren drängelnden Pferden. Diese begannen missmutig zu buckeln. Dadurch entstand neue Unruhe und aufregende Bedrängnis.
Hella kümmerte sich um all dies nicht. Ohne zu zögern liess sie das Hindernis in weitem Bogen einfach rechts liegen. Ruhig galoppierte sie weiter. Dem Hauptfeld nach.
Ein Profi eben!
So ging es ungetrübt weiter bis zum großen Halali.

Ein großes Erlebnis für die glückliche Tochter mit Hella, der eigenwilligen und, wie zu sehen war, auch mütterlichen Schimmelstute.

Ich bin sicher, daß Gudula diesen Tag und ihr Pferd ihr ganzes Leben nicht vergessen wird. Bestimmt auch Toni, ihr Vater, nicht.

Später, als ich mit meinen Reitschülern und meinen Pferden an Reitjagden teilnahm, war mir Toni mit Hella jedes Mal eine große Hilfe.
Innerhalb der jeweiligen Jagdgesellschaft bildeten wir immer eine eigene Gruppe. Mit Astrid oder Luzius ritt ich vor und Toni mit Hella hinter unseren letzten Reitern. Dadurch schützten wir die jagdunerfahrenen Jugendlichen. Notfalls konnten wir ihnen helfen oder Hinweise für einen guten Ablauf geben. Diese Methode hat sich besonders auf der Mändl-Jagd in Kirchdorf und bei Ingold in Kleinkammerberg bewährt.

Hella am Steilhang

Start

Umzug in die Brandau

1984 kam Hella, jetzt siebzehnjährig, durch unseren Umzug mit in die Brandau.

Das Leben ging weiter.
Hella und Astrid, die alten Freundinnen, steckten ihre Köpfe zusammen und grasten einträchtig nebeneinander. Manchmal nahmen sie, so als hätten sie sich abgesprochen, im vorbei fließenden Nasenbach ihr beliebtes Fußbad und schauten hinüber auf die Springkoppel, wo die anderen Schulpferde ihre Arbeit mit den Kindern verrichteten.

Hella uf der Koppel

Start

Hella´s Einsatz als Schulpferd

Mit zunehmendem Alter avancierte Hella ob ihrer mütterlichen Art immer mehr zum Liebling der kleineren Kinder. Dabei bekundete sie allerdings, daß sie nicht mit jedem ihrer kleinen Reiter einverstanden war. Nach welchen Kriterien sie ihre Vorlieben oder Abneigungen auswählte, konnte nie so richtig erkannt werden. Möglicherweise entschied sich dies schon beim Putzen, Auftrensen und Satteln im Stall.

Kinder hampeln oft wegen ihrer geringen Größe vor dem Kopf des Pferdes herum. Es ist gar nicht so leicht das Zaumzeug über Griffhöhe anlegen zu können. Hella erkannte das Problem sehr wohl. Freundlich neigte sie bei den Kindern, die ihr sympathisch waren, Kopf und Hals, damit die "Zwerge" ihre Arbeit verrichten konnten. Ein kleines Mädchen sah ich einmal unschlüssig vor Hella stehen. Sie hatte das Trensenmundstück vorschriftsmäßig in der linken, das Genickstück in der rechten Hand. Der Zügel hing bereits über Hellas Hals. Das Pferd stand in Bereitschaft. Hilfreich zog sie die Oberlippe hoch, sperrte ihr Maul weit auf und wartete geduldig darauf, das Eisenzeug eingelegt zu bekommen.
Dazu konnte sich das Mädchen aber bei bestem Willen nicht durchringen.
Gespannt beobachtete ich die beiden und hörte wie die kleine Reiterin leise flüsterte: "Oma, was hast Du für große Zähne!".
Hella
Auf besonders subtile Weise bekundete Hella ihren Unmut, wenn ihr eines der Kinder nicht passte. Die Methode war ebenso effektiv, wie konsequent.
Zielstrebig ging sie auf unserem Reitplatz auf die Bäume zu, deren Äste tiefer hingen. Es half kein Zerren am Zügel und nützte kein Geschrei. Hella schritt gemächlich aber unaufhaltsam genau an der Stelle unter dem Baum durch, an dem das Kind langsam von ihrem Rücken gestreift werden konnte.
Nie ist dabei etwas passiert. Nur manchmal war die Heiterkeit ringsum groß. Dann nämlich, wenn der Reiter sich krampfhaft am Ast anklammerte und ohne Pferd hilflos frei in der Höhe zappelte. Hella dagegen rupfte drei Meter entfernt genüsslich Gras.
Mit zunehmendem Alter legte Hella, auch unter dem Reiter, großen Wert darauf, daß die anderen Pferde eine bestimmte Distanz einhielten. Wurde dies missachtet, legte sie die Ohren flach und gefährlich an, zeigte ihre kräftigen Schneidezähne und verteidigte mit vorgestrecktem Hals und eiligen Tritten nach vorne ihre Respektzone.
Im theoretischen Unterricht erzählte ich den Kindern, daß Pferde beim Grasen in aller Regel keine Feindseligkeiten von anderen Herdenmitgliedern erwarten mussten.
Ein kleiner Junge hat dabei offensichtlich gut aufgepasst.
Auf dem Reitplatz hörte ich ihn immer wieder rufen "Hella friss!" "Hella friss!".
Da er sein Pferd noch nicht richtig führen konnte und Hella ab und zu unfreundlich zu anderen Pferde war, dachte er das Problem dadurch zu lösen, daß er sie zu friedlichem Verhalten anregte.
Hella
Hella

Start

Ein "Zugpferd"

Wie das folgende Beispiel zeigt, kann bei bester Absicht Unerwünschtes eintreten:
Mehrere Regentage hatten den Wiesenweg zum Reitplatz tief und grundlos aufgeweicht. Die fünfjährige Johanna, bestens mit "Ostfriesennerz" und gelben Gummistiefel ausgerüstet, führte "ihre Hella" von der kleinen Reithalle über die Koppel zurück zum Stall. Mehr zur eigenen Stütze als zum Dirigieren, hielt sie sich mit der rechten Hand an den Backenstücken des Zaumzeugs fest. Der Boden wurde immer tiefer und tiefer. Die Schritte des Mädchens im zähen Erdreich immer langsamer und langsamer.

Als es gar nicht mehr weiter ging, leistete Hella tatkräftige Hilfe. Sie hob die kleine Johanna behutsam durch Hochheben ihres Kopfes aus dem Schlick. Das glückte ausgezeichnet. Nur die gelben Gummistiefel blieben im Morast stecken. Nach erfolgreicher Hilfeleistung senkte Hella wieder langsam ihren Kopf und setzte damit ihr Führkind bedächtig auf den Boden und zwar genau neben den Stiefeln ins schlammige Erdreich.

Start

Hella wird älter

Wie ein leiser Wind kaum wahrnehmbar übers Land zieht und irgendwo verschwindet, zog die Zeit mit uns dahin. Tage, Wochen und Jahre vergingen. Brachten neue Kinder und neue Aufgaben. Vertraute Gesichter verschwanden oder blieben allmählich aus. Wie dies das Leben halt so vorschreibt.
Hella spürte allmählich die Last der Jahre. Sie wurde behäbiger und schwerfälliger.
Hinten links bekam sie ein dickes Bein. Anfangs halfen Lehmpackungen. Später diverse Salben und Tinkturen. Auch auf Wasserkuren sprach sie an. Bei einem neuen Ausbruch versuchte sich der junge Tierarzt und ehemalige Reitschüler Gerdi Hiepe. Er konnte ebenso wenig helfen, wie unser Hausarzt Dr. Zottmaier. Schmerzen hatte Hella nicht. Lahm ging sie auch nicht. Um den Kreislauf in Schwung zu halten, wurde sie behutsam bewegt.

Hella auf der Koppel

Notwendige Schmiedearbeiten, das heißt Ausschneiden der Hufe gestaltete sich jedes Mal zu einem Akrobatenstück für alle Beteiligten. Mit ihrer rechten Seite lehnte sich Hella an eine Boxenwand. Andi hob das dicke, linke Hinterbein vorsichtig etwa 10 cm vom Boden weg und stellte die Hufzehe auf einen untergeschobenen Holzklotz. Hella stützte sich anstelle ihres Elefantenbeins mit dem Knie an Andis Hüfte ab. So hielt sie sich wenigstens etwas in Balance.
Herr Käsbauer, der Schmied, auch nicht mehr der Jüngste, legte sich fast auf den Stallboden um seine Schnipselarbeit so gut wie möglich verrichten zu können. Schnell mußte es gehen. Diese ungewohnte Haltung war sehr anstrengend für das Pferd. Und nicht nur fürs Pferd. Rührend war, wie sich Hella bemühte, mitzuwirken, zu entlasten und, wenn auch manchmal vor Anstrengung zitternd, die Arbeiten zu erleichtern.

Im Frühsommer 1994 war’s, als Hella plötzlich zusammenbrach. Ein kleines Mädchen wurde auf ihr über die Springkoppel geführt, als Hella plötzlich schwankte und im nächsten Moment umfiel. Nach einer halben Minute stand sie wieder auf, war offensichtlich etwas benommen, atmete stoßweise in kurzen Intervallen und benahm sich nach kurzer Zeit wieder ganz normal.
Ein gehöriger Schreck für alle Beteiligten.
Das zweite Mal passierte das Gleiche beim Grasen auf der großen Koppel. Andi, die es zufällig beobachtete, rannte zu ihr hin, klopfte und rüttelte sie so lange bis sie aufstand. Der gerufene Tierarzt spritzte ein kreislaufstabilisierendes Mittel. Das Einzige, was er, wie er sagte, tun konnte.

Dramatisch wurde der dritte Anfall.
Der Nasenbach neben unserem Bauernhof hatte eine breite Furt, die auch von der großen Koppel aus begangen werden konnte. Hella und Astrid standen oft darin und kühlten sich nach Art von Pfarrer Kneip die Beine.
Etwa zwei Meter neben dem Einstieg befand sich eine breite Gumpe. Etwa 1m tief mit kiesigem Grund. Ausgerechnet da hinein fiel Hella. Zum Glück waren Andi und Uli ganz in der Nähe.
Beide rannten sofort in den Bach und hoben den Kopf von Hella so über die Wasseroberfläche, daß sie nicht ertrank. Die Feuerwehr von Hallbergmoos wurde gerufen. Diese hätte eigentlich mit einem Trupp des Technischen Hilfswerks anrücken sollen. Am Ufer standen deshalb eine Menge ratloser uniformierter Feuerwehrmänner. Sie hatten nur einen Löschzug mitgebracht, der in dieser Situation wenig nützte.
Hella war immer noch nicht in der Lage zu stehen. Vor Kälte zitternd hielten Andi und Uli immer noch tapfer Hellas schweren Kopf. Gott sei Dank begann Hella unruhig zu werden und zu zappeln. Mit den Beinen scharrte sie im Kies des Bachbodens und richtete sich endlich auf. Die Rettungsaktion war damit beendet.
Im Jahresbericht der Feuerwehr stand später: "Ein Pferd vor dem Ertrinken gerettet.".

 

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Hella´s Tod

Am Mittwoch, den 11. Januar 1995 fand Andi bei der Morgenfütterung um 7 Uhr die Hella in ihrer Boxe liegen. Offensichtlich hatte sie sich bei dem Bemühen aufzustehen am Kopf und an der Hüfte leicht verletzt. Dr. Zottmaier kam kurz nach unserem Anruf. Hella schnaufte schwer. Konnte sich immer noch nicht bewegen. Bei einer längeren Beratung mit dem Tierarzt kamen wir zu dem Entschluss, das Pferd einschläfern zu lassen.
Dr. Zottmaier meinte, daß er das Pferd mit Spritzen nochmals kurzfristig hoch bringen könnte. Eine anhaltende Wirkung war nicht zu erwarten. Im Gegenteil mußte befürchtet werden, daß weitere Anfälle, die auf jeden Fall auftreten würden, eine Quälerei für Hella bedeuten würde.

Einen Monat später am Montag, den 13. Februar 1995 starb Astrid.
Da fiel mir unwillkürlich der Spruch ein, den ich von alten Leuten hörte, "Wenn jemand stirbt, holt er sich das Liebste aus dem Leben kurz darauf nach.".

Ein Großteil der Kinder, die Hella in ihrer Jugend begleitete und von denen ich hier erzählt habe, sind, genauso wie Gudula, inzwischen Mütter und Väter.

Viele unserer alten Pferde sind in den letzten Jahren der Hella gefolgt. Alle waren uns, jeder auf seine ganz persönliche Weise, ans Herz gewachsen.
Die Trauer um sie hat uns gelehrt, daß wir uns der Lebenden so gut und so hingebungsvoll wie möglich widmen sollten. Solange jedenfalls, solange sie uns noch begleiten können.

Hella
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